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- Aufruf zur Hochwasserhilfe
- Festkonzert 21.09.2024 Prot. Kirche Steinwenden
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- Artikel von Friedhelm Hans
- Ukraine - Nothilfe
- 222 Gustav-Adolf-Kirchen in der Pfalz
- Nachlese 175. Jahre Gustav-Adolf-Werk Pfalz
- in der Neustadter Stiftskirche am 17. September 2023
- Predigt des GAW-Präsidenten Prälat i.R. Dr. Martin Dutzmann
- Predigt von Pfarrer Enno Haaks, Generalsekretär des GAW
- Predigt von Pfarrer Prof. Dr. Martin Mautner
- Predigt von Pfarrer i.R. Friedhelm Hans
- Predigt von Pfarrer Dietrich Schneider aus Oldenburg
- Predigt von Pfarrer i.R. Jürgen Barth aus Wettenberg/Hessen
- Dialogpredigt von Simona Prosic Filip und Martina Horak-Werz
Predigt des GAW Präsidenten Prälat i.R. Dr. Martin Dutzmann
am 16. September in der AWK in Neustadt/Weinstraße
Predigt von Dr. Martin Dutzmann in Neustadt, Alte Winzinger Kirche,
am 16. September 2023
über 1. Petrus 5,7:
Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.
Liebe Schwestern und Brüder,
das Gustav-Adolf-Werk der Pfalz feiert seinen 175. Geburtstag. Wer Geburtstag feiert – zumal, wenn es ein besonderer Geburtstag ist, schaut zurück: Wie hat alles angefangen? Was ist uns auf unserem Weg begegnet? Welche Hindernisse waren zu überwinden? Wer und was hat uns dabei geholfen?
Wer Geburtstag feiert, wagt auch einen Blick nach vorn: Werden wir unseren Weg unter veränderten Bedingungen fortsetzen können? Was muss anders werden? Auf wessen Begleitung und auf wessen Mittun können wir zählen?
Rückblick und Ausblick. Der Wochenspruch für die morgen beginnende Woche fasst Rückblick und Ausblick in konzentrierter Form zusammen. Dabei geht es nicht allein um das Gustav-Adolf-Werk der Pfalz. Es geht um unser ganzes Leben. Unser Leben als Christen.
Im ersten Brief des Petrus heißt es im 5. Kapitel: Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. (v.7). Die Empfängerinnen und Empfänger des Briefes hatten Grund zur Sorge. Als Christen sahen sie sich zunehmend Beleidigungen und Angriffen durch ihre heidnischen Mitmenschen ausgesetzt. Unruhig fragten sie einander und ihre Gemeindeleiter: Was sollen wir tun, wenn wir mit Worten oder sogar tätlich angegriffen werden? Schweigen und dulden? Uns zur Wehr setzen? Wir haben ja nichts verbrochen. Wie sollen wir uns unseren Bekannten und Nachbarn gegenüber verhalten? Sollen wir als Christen Profil zeigen? Oder uns doch lieber anpassen? Und schließlich: Wie wird es mit uns weitergehen? Werden wir als Gemeinde in heidnischer Umwelt auf Dauer überleben können? In ihre besorgten und ängstlichen Fragen hinein hörten und lasen sie das tröstende Wort: Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.
Zwischen den Christen in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts und uns gibt es einen entscheidenden Unterschied: Anders als sie leben wir nicht in einer heidnischen, sondern in einer über Jahrhunderte vom Christentum geprägten Umwelt und müssen nicht um unsere Identität oder gar ums Überleben kämpfen. Auch wenn inzwischen die meisten Menschen in unserem Land keiner christlichen Kirche mehr angehören – wir sind als Kirche und als Christen in Deutschland und Europa nicht existenziell bedroht, sondern leben unseren Glauben unter dem Schutz unserer rechtsstaatlichen Ordnung. Dass das alles andere als selbstverständlich ist, war unlängst im „Dritte(n) ökumenische(n) Bericht zur Religionsfreiheit weltweit“ – erarbeitet von der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz - nachzulesen.
Trotzdem machen wir uns Sorgen. Und das nicht ohne Grund.
Wer in der Kirche mitarbeitet oder gar Leitungsverantwortung trägt, fragt besorgt: Wie lange werden Menschen noch in so hoher Zahl aus der Kirche austreten? Können wir unsere kirchliche Arbeit neu ordnen, ohne dass der Streit über künftige Schwerpunktsetzungen uns zerreißt und Mitarbeitende überlastet werden? Wie können wir verhindern, dass wir uns angesichts schwindender Mittel nur noch um uns selbst drehen?
Auch das Gustav-Adolf-Werk plagen Sorgen. Jede und jeder weiß, dass Diasporarbeit auch nach 175 erfolgreichen Jahren kein Selbstläufer ist. In allen Hauptgruppen fehlen junge Leute und regelmäßig fragen die seit Jahren Engagierten: Wer wird in zehn, zwanzig Jahren den Kontakt zu den evangelischen Minderheitskirchen in Osteuropa, in Lateinamerika, in Syrien und im Libanon halten? Wer trägt dann noch die Mahnung des Apostels Paulus im Herzen „Lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen“? Wer sammelt Geld, damit das Gustav-Adolf-Werk „weltweit Gemeinden helfen“ kann, wie es sein Auftrag ist?
Und dann haben wir Christen ja teil an den Sorgen aller anderen Menschen in unserem Land: Wie kann der Krieg in der Ukraine beendet werden? Können wir sicher sein, trotz der Vorsicht unserer Regierung am Ende nicht doch in die bewaffnete Auseinandersetzung hineingezogen zu werden? Sodann: Wie stabil ist unsere Demokratie? Gerade hat eine Gruppe von Wissenschaftlern in Berlin gezeigt, wie leicht es ist, den Rechtsstaat auszuhöhlen – ohne Gesetze zu brechen und ohne Revolution. Deutschland ist keineswegs gefeit vor dem, was in Polen und Ungarn bereits geschehen ist. Und schließlich: Auch wer sich nicht auf einer Straße oder an einem Gemälde festklebt, fragt beklommen: Wird es noch gelingen, die Erderhitzung zu stoppen? Wie viele Menschen (und Tiere) werden bis dahin ruiniert sein? Worauf werden wir in Europa und in Deutschland verzichten müssen? Denn dass es ohne Verzichten nicht gehen wird, dürfte inzwischen jedem und jeder klar sein.
Alle eure Sorge werft auf ihn! Das ist ein starker Appell und jedes Wort ist von Gewicht. Alle eure Sorge werft auf ihn! Nichts, was uns auf dem Herzen liegt, ist unbedeutend. Keiner der bangen Gedanken, die uns bis in unsere Träume hinein verfolgen, ist unwichtig. Jede, wirklich jede Sorge können und sollen wir Gott anvertrauen. Ach was: „anvertrauen“. Bewerfen können und sollen wir Gott mit unseren Sorgen. Ihn bewerfen, damit wir frei werden von dem, was uns das Herz schwer und den lichten Tag dunkel macht. Ob Gott sich das gefallen lässt? Ja, Gott hält das aus. Gott lässt sich mit unseren Sorgen um die Kirche, um das Gustav-Adolf-Werk, um den Frieden, um die Demokratie, um das Klima und dazu mit unseren vielen persönlichen Sorgen bewerfen. Denn: Er sorgt für euch! heißt es im ersten Brief des Petrus.
Er sorgt für euch. Dass für uns gesorgt ist, müssen wir uns manchmal in Erinnerung rufen. Unter den vielen Alltagssorgen vergessen wir das sonst leicht.
Er sorgt für euch. Ein Geburtstag ist immer ein guter Anlass, sich klar zu machen, wie gut Gott für uns sorgt. Dazu schlagen wir zunächst die Bibel auf, die in ihren beiden Teilen von Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist erzählt. Schon auf den ersten Seiten lesen wir, wie sorgfältig Gott seine Schöpfung gestaltet. Als am sechsten Tag der Mensch das Licht der Welt erblickt, ist alles da, was er zum Leben braucht: Licht und Luft, Tag und Nacht, Essen und Trinken und vieles mehr. Dann erwählt Gott Abraham, den Stammvater Israels, damit in ihm alle Völker der Erde, also auch wir, gesegnet seien. Damit unser Tun und Lassen nicht umsonst sei. Auch im Neuen Testament zeigt sich uns Gott als der, der um uns Menschen besorgt ist. Gott will nicht, dass wir an unserem Hochmut, unserer Trägheit und unserer Lüge – die Bibel nennt das Sünde – zugrunde gehen. Deshalb nimmt er in Christus unsere Sünde auf sich und trägt sie ans Kreuz, damit sie dort vernichtet wird. In Christus zeigt sich Gott auch als der, der es nicht erträgt, dass der Tod über uns herrscht. Deshalb lässt er es Ostern werden. Zu Pfingsten schließlich gießt Gott seinen Geist über die Kirche aus und nimmt uns die Sorge um den Fortbestand des Glaubens und der Kirche ab.
Er sorgt für euch. Gott sorgt für uns. Viele von uns haben das auch in ihrem Leben erfahren. Jede und jeder von uns wird dazu Geschichten erzählen können. Geschichten, wie Mangel sich in Fülle verwandelte, Krankheit in Wohlbefinden, ein Irrweg in Orientierung. Vor 25 Jahren hat Friedhelm Borggrefe die Geschichte des Gustav-Adolf-Werkes der Pfalz erzählt. Es ist eine Geschichte mit positiven und begeisternden, aber auch mit erschreckenden und beängstigenden Erfahrungen. Eine Geschichte, von der wir heute dankbar sagen können: Gott hat seine Hand über das Werk gehalten. Und wir sind gewiss: Er tut das noch heute und wird es auch in Zukunft tun.
Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. Wir können und sollen Gott also mit unseren Sorgen bewerfen, weil er in großartiger Weise vollumfänglich für uns sorgt. Und dann? Sind dann alle Probleme gelöst? Ist das Leben dann sorgenfrei? Gewiss nicht. Aber die Sorge, die wir auf Gott geworfen haben, hat ihre Macht über uns verloren, weil sie jetzt auch Gottes Sache ist. Und wir, wir haben den Blick frei für das, was zu tun ist. Wir können – dem Leitwort des GAW–Jubiläums folgend – „den Glauben in Freiheit leben“. Als solche, die ihre Sorge auf Gott geworfen haben, werden wir für den Frieden unter den Völkern beten und für den Frieden in unserem persönlichen Umfeld eintreten. Wir werden unsere Demokratie stärken, indem wir fremdenfeindlichen, rassistischen und nationalistischen Parolen eine Absage erteilen. Wir werden den politisch Verantwortlichen in den Ohren liegen, damit sie endlich die nötigen Maßnahmen zum Klimaschutz treffen und werden unseren eigenen Lebensstil so verändern, dass Mitgeschöpfe nicht darunter leiden. Als solche, die ihre Sorge auf Gott geworfen haben, werden wir die Zukunft der Kirche nüchtern planen und das heißt auch: uns beherzt von Dingen trennen, die uns lieb geworden sind. Und wir werden mit dem Gustav-Adolf-Werk die Zukunft gestalten. Es gibt viele junge Menschen, die Interesse an dem Kontakt zu kleinen evangelischen Kirchen in der Diaspora haben. Manche haben dort bereits ein Freiwilliges Soziales Jahr verbracht. Wir werden überlegen, wie wir diese Menschen für die Arbeit des GAW gewinnen. Vielleicht bedarf es dazu neuer, bisher ungewohnter Formen der Mitarbeit.
Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. In dieser Gewissheit und mit dieser Perspektive lasst uns, liebe Schwestern und Brüder, nicht nur in die kommende Woche, sondern durch unser ganzes Leben gehen. Amen.