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- Nachlese 175. Jahre Gustav-Adolf-Werk Pfalz
- in der Neustadter Stiftskirche am 17. September 2023
- Predigt des GAW-Präsidenten Prälat i.R. Dr. Martin Dutzmann
- Predigt von Pfarrer Enno Haaks, Generalsekretär des GAW
- Predigt von Pfarrer Prof. Dr. Martin Mautner
- Predigt von Pfarrer i.R. Friedhelm Hans
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- Dialogpredigt von Simona Prosic Filip und Martina Horak-Werz
Predigt von Pfarrer Prof. Dr. Martin Mautner, Baden
in Neustadt-Haardt am 17. September 2023
Predigt zum Gottesdienst in Neustadt-Haardt
am 17. September 2023 (15. Sonntag nach Trinitatis)
von Prof. Dr. Martin-Christian Mautner, Pfarrer
zum Gustav-Adolf-Fest Neustadt an der Weinstraße
Predigt über den Wochenspruch: 1. Petrus 5, 7:
„Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“
Liebe Gemeinde,
es ist mir eine große Freude heute hier mit Ihnen den Gottesdienst feiern zu dürfen.
Ich danke herzlich für die freundliche Einladung.
Ich bin in Mannheim aufgewachsen und wohne derzeit in Weinheim an der Badischen Bergstraße. Von daher ist mir die Pfalz vertraut – ich verbinde herrliche Wanderungen und Weinfeste mit ihr.
Die Pfalz ist zumeist das Ziel der Betriebsausflüge der Hochschule für Kirchenmusik Heidelberg, deren Rektor ich bin. Für Dozierende und Studierende immer wieder ein besonderes Erlebnis!
Heute bin ich allerdings aus einem anderen Anlass zu Ihnen gekommen.
Auf Einladung Ihrer Landeskirche findet für drei Tage die Delegiertenversammlung des Gustav-Adolf-Werks Gesamtdeutschlands hier statt. Ich nehme als Vorstandsvorsitzender der badischen Hauptgruppe daran teil.
Gustav-Adolf-Werk... Das klingt seltsam, altertümlich und merkwürdig.
Was ist das überhaupt? Und: Worum geht es da?
Der Name leitet sich her, wie zu vermuten, von dem schwedischen König Gustav II. Adolf Wasa, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts lebte. Er ging in die Geschichte ein einerseits als Sozialreformer seines Landes, andererseits als Retter der Protestanten in Deutschland während des Dreißigjährigen Kriegs. Ohne sein Eingreifen, so steht zu vermuten, wären die evangelischen Christinnen und Christen hierzulande vermutlich zur Auswanderung gezwungen gewesen oder zur unfreiwilligen Konversion.
Gustav Adolf aber kam als „Löwe aus Mitternacht“, wie man damals etwas schwülstig sagte.
1632 traf ihn auf dem Schlachtfeld in Lützen bei Leipzig eine Kugel. Er starb.
Zweihundert Jahre später, im Jahre 1832, sollte sein Todestag entsprechend seiner Bedeutung würdig begangen werden. Ein Verein wurde gegründet mit dem Ziel dem Schwedenkönig ein Reiterdenkmal zu weihen.
Solche Denkmäler gab es bereits reichlich – und eigentlich, so fanden manche, würde ein solches der Person und dem Anliegen Gustav Adolfs nicht wirklich gerecht.
So diskutierte man – mit dem Ergebnis, doch statt eines Denkmals aus Bronze oder Granit lieber ein lebendiges zu errichten in Form eines Hilfswerks zur Unterstützung evangelischer Minderheiten zunächst in Deutschland und dann auch weltweit.
Die Idee wurde begeistert aufgenommen und umgesetzt.
Gerade auch in Baden, dem Bereich unserer heutigen Landeskirche, haben viele Gemeinden vom Gustav-Adolf-Werk – oder kurz: GAW – profitiert: Kirchen, Gemeinde- und Pfarrhäuser wurden gebaut oder renoviert und diakonische Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Krankenstationen und Pflegeeinrichtungen finanziell und ideell unterstützt. Ich selbst war etliche Jahre an einer GAW-Kirche im Schwarzwald tätig.
Wegweisend für dieses Tun war das Bibelwort Gal. 6, 10, das zum Motto und Leitgedanken für das GAW wurde:
„Lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.“
Im Laufe der Jahrzehnte der Wirksamkeit des GAW geriet immer mehr die Partnerschaft mit evangelischen Minderheitskirchen weltweit in den Blick. Heute versteht sich das GAW als eine wichtige Verbindung der deutschen Landeskirchen in die weltweite Diaspora.
Schwerpunkte unserer Beziehungen in Baden sind Süd- und Osteuropa, Lateinamerika und der Nahe Osten.
Wie sieht unsere partnerschaftliche Hilfe konkret aus?
Ich will das an drei Beispielen zu zeigen versuchen.
I.
Zunächst nehme ich Sie mit nach Süditalien, genauer nach Sizilien. Ich durfte gegen Ende der Sommerferien diese Insel bereisen, einen besonders eindrücklichen Teil des von mir so geliebten Italien. Die Weinberge um den gewaltigen Ätna, malerische Städtchen mit engen Gassen und barocken Kirchen sowie die großartigen Zeugnisse der griechisch-römischen Antike bleiben gewiss jedem in Erinnerung, der diese größte Insel des Mittelmeers besuchen konnte.
Doch abseits der Postkartenidyllen gab und gibt es noch ein anderes Gesicht der Insel – abseits der touristischen Zentren und eher im Landesinnern. Dort findet sich ein karges Bergland, dessen Kuppen sich baumlos und mit spärlichem Grasbewuchs sowie einigen Ginstersträuchen und Kakteen in der Gluthitze des Sommers erheben.
Schatten ist selten, Wasser noch seltener.
Gerade dort haben sich die Menschen niedergelassen. Die Dörfer und kleinen Städte, meist von hohen Mauern umgeben und nur über Serpentinenwege zu erreichen, auf denen die Bewohner Fremde bereits lange vor ihrem Eintreffen erspähen können, zeugen von Misstrauen und einem großen Sicherheitsbedürfnis.
Zu oft kamen diese Fremden – Griechen, Karthager, Römer, Vandalen, Araber, Normannen, Spanier, Franzosen und andere -, um zu besetzen und zu enteignen.
Nicht von ungefähr gehört Sizilien heute zu den ärmsten Regionen Europas. Landflucht, Auswanderung, Vernachlässigung der einst ertragreichen Landwirtschaft sind die Folgen – bis heute.
Denjenigen, der Sizilien bereist, werden bisweilen Hinweise irritieren: „Chiesa Valdese“ steht an kleinen Kirchengebäuden in Riesi, Scicli oder auch Palermo zu lesen. Es gibt also evangelische Gemeinden dort, entstanden vor etwa anderthalb Jahrhunderten.
Wie kam es dazu?
1861 erklärte die Bevölkerung des „Mezzogiorno“ nach der militärischen Niederlage des Königreichs Beider Sizilien künftig Teil eines geeinten italienischen Staates sein zu wollen. Ob sich die Sizilianer viel von den neuen auf die Insel kommenden Soldaten und Beamten versprachen, weiß ich nicht. Vermutlich sahen sie in ihnen eher weitere Besatzer – wie schon so viele vor ihnen.
Zugleich kamen aber auch seltsame Menschen aus dem Norden zu ihnen, die – offensichtlich arm wie sie selbst – keine Forderungen stellten, sondern etwas mitbrachten: Bibeln nämlich, die in Körben auf Maultieren transportiert wurden.
Sie kamen mit den Einheimischen ins Gespräch, kümmerten sich um Bedürftige, gründeten Schulen und diakonische Einrichtungen.
Dass auch ihnen gegenüber das Misstrauen groß war, mögen wir uns vorstellen.
Und doch ließ ihre zentrale Botschaft die Menschen aufhorchen: Gott fordert nicht, sondern er gibt – nachzulesen eben in der Bibel, z. B. im Johannesevangelium (3, 16):
„Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“
Die Gemeinden derer, die damals ihr Misstrauen in Vertrauen – Gottvertrauen – wandelten, gediehen und gedeihen bis heute. Längst gibt es in ihnen viele Menschen afrikanischer Herkunft, die ähnlich Suchende sind wie die Sizilianer damals.
Wir unterstützen im Gustav-Adolf-Werk diese mit uns verbundenen und befreundeten Waldenser-Gemeinden, indem wir etwa bei den notwendigen Renovierungsarbeiten ihrer Versammlungsräume und diakonischen Einrichtungen helfen. In diesem Jahr betrifft das beispielsweise die dringend erforderliche Sanierung des Gemeindezentrums in Palermo.
II.
Ein zweites Beispiel will ich Ihnen geben, liebe Gemeinde.
Vom Kriegsgebiet der Ukraine erfahren wir täglich in den Medien. Einzelheiten erspare ich mir und Ihnen. Wir sind informiert.
Unser GAW pflegt seit Jahrzehnten Kontakte zur evangelischen Kirche in der Karpato-Ukraine, dem äußersten Westen des Landes. Dort leben ungarischsprachige Menschen, die seit Jahrhunderten in reformierten Gemeinden sich zusammenfinden.
Direkt von Kriegshandlungen betroffen ist die Gebirgsregion bislang zwar nicht – Gott sei Dank!
Jedoch reisen Abertausende durch die dortigen Täler, um an der nahen Grenze zu Ungarn das Gebiet der Europäischen Union zu erreichen.
Die Unterbringung der auf die Einreise in die EU Wartenden stellt die ukrainischen Grenzgemeinden vor große Probleme – in Gemeindehäusern, Kirchen, Turn- und Lagerhallen und vielen Privathäusern wurden Notquartiere eingerichtet.
Auch die Versorgungslage ist schwierig.
Zwar verfügen die reformierten Kirchengemeinden über Ackerflächen zur Selbstversorgung – aber die Bearbeitung des Bodens ist schwierig, weil nur wenige veraltete und schwer zu bedienende Maschinen aus Sowjetzeiten zur Verfügung stehen - für die Frauen, welche die Arbeit der zum Militärdienst eingezogenen Männer übernehmen müssen, ein fast unlösbares Problem.
So hat sich unsere Partnerkirche an das deutsche GAW gewandt mit der Bitte um Unterstützung beim Erwerb eines gebrauchten Traktors aus westlicher Produktion, der den Gemeinden zur Verfügung gestellt werden kann.
Der Erfolg dieser Hilfsmaßnahme ist überwältigend gewesen: Dank der Beteiligung vieler – besonders aus Baden, wie ich dankbar feststellen darf – und dank guter Kontakte zur Firma John Deere in Mannheim, die Netto-Preise und äußerst günstige Konditionen bot, konnte in kurzer Zeit ein fast neues generalüberholtes Fahrzeug mit dem konkret erforderlichen Zusatzgerät über Ungarn in die Ukraine überführt werden.
Die Bilder, welche die glücklichen Bäuerinnen von dem neuen Arbeitsgerät schickten, sprechen für sich.
III.
Noch ein drittes Beispiel will ich anfügen, liebe Gemeinde.
Reisen Sie mit mir zunächst nach Südamerika – nach Paraguay in den Busch.
Dort gibt es das kleine Indiodorf Oguasù. Etwa 250 indigene Mbia wohnen in ihren Hütten. Sie leben von dem, was die Natur bereithält: Fischfang, Bananenstauden, Manjok, Hühnerhaltung...
Sie schnitzen Holzfiguren einheimischer Tiere: Kaimane, Tukane oder Opossums.
Aus Heilpflanzen des Urwalds stellen sie Kräutersalben her, die zur Wundheilung helfen.
Oguasù - ein Eingeborenendorf wie viele andere auch.
Das Besondere aber ist: Die Diakonie unserer Partnerkirche am Rio de la Plata unterhält dort die einzige Schule, an der die junge Indios in ihrer Sprache und in der paraguayischen Verkehrssprache Guaranì einen Bildungsabschluss vermitteln, der ihnen eine Lehre in einem Handwerk oder den Besuch des Lehrerseminars in der Hauptstadt Asunciòn ermöglicht.
Das Schulhaus mit zwei Klassenräumen wurde vom Gustav-Adolf-Werk finanziert und mit viel Eigenleistung vor Ort errichtet.
Aus allen Teilen des Stammesgebiets kommen in den Schulwochen im Sommer über hundert Jugendliche – Mädchen und Jungen – dorthin, wohnen in Schlafhütten, lernen und leben gemeinsam. Bei einem Besuch dort konnte ich mich von dem florierenden Schulleben überzeugen. Es war höchst eindrücklich.
Übrigens: Da die nächste Straße mit einer Bushaltestelle ca. 30 Kilometer vom Dorf entfernt ist, legen alle zumindest diese Strecke zu Fuß zurück – hochmotiviert und glücklich lernen zu dürfen.
Liebe Gemeinde.
Ich habe Ihnen drei Projekte von derzeit 119, die wir im Gustav-Adolf-Werk derzeit unterstützen. Alle sind in einem für alle Interessierten zugänglichen Katalog zusammengefasst, der in jedem Jahr je nach Bedürftigkeit neu erstellt wird.
Wichtig ist dabei, dass alle Projekte direkt mit unseren Partnerkirchen in Süd- und Osteuropa, in Lateinamerika und im Nahen Osten besprochen und abgestimmt werden. Das geschieht seit Jahrzehnten so. Die Kontakte sind erprobt und garantieren, dass die eingesetzten Mittel auch ankommen, wo sie konkret benötigt werden.
Persönliche Begegnungen sind dafür unerlässlich und finden durchgängig statt.
Unsere Motivation für unser Engagement im Gustav-Adolf-Werk ist letztlich Dankbarkeit.
Wir wissen uns reich beschenkt von einem Gott, dem wir nichts beweisen müssen, dem wir nichts bieten, nichts geben müssen – denn er gibt reichlich, ja sogar sich selbst
Davon kündet unser Wochenspruch aus dem 1. Petrusbrief (Kapitel 5, Vers 7):
„Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch.“
Das Gottvertrauen, zu dem dieses Wort einlädt, könnte nun – falsch verstanden – zu Fatalismus führen, dazu, dass wir die Hände in den Schoß legen und „den lieben Gott einen guten Mann sein lassen“, wie wir sprichwörtlich sagen.
Aber das wäre gerade nicht im Sinne dessen, der so reichlich gibt – und uns darin ein Vorbild ist.
Unsere Dankbarkeit über Gottes Fürsorge führt zu Solidarität und Fürsorge gegenüber denen, die unsere Hilfe benötigen.
Wir unterstützen deshalb diejenigen, die Hilfe brauchen – gerade diejenigen, denen wir uns verbunden fühlen im gemeinsamen Glauben, im Vertrauen in den liebenden Gott.
So ist aus Dankbarkeit das Netz der Solidarität geknüpft, das Kirchen, Gemeinden, Menschen weltweit verbindet, das GAW.
Es verbindet über geographische, politische, geschichtliche, sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg, was sich im Glauben einig weiß.
Liebe Gemeinde.
Ich danke Ihnen nochmals sehr herzlich für die Gelegenheit dieses Gottesdienstes heute.
Es freut mich, wenn ich Ihnen etwas nahebringen konnte von dem, was mir und den gleich mir im Gustav-Adolf-Werk Engagierten wichtig ist.
Wenn Sie uns darin ebenfalls unterstützen wollen, ist meine Freude noch größer.
Der Friede Gottes, der viel größer und schöner ist, als wir sagen und denken können, bewahre unsere Herzen, unsere Sinne und unseren Verstand in unserem gemeinsamen Herrn Jesus Christus!
Amen