Aktuelles aus dem Gustav-Adolf-Werk
Festpredigt zum 149. GAW Hauptfest Pfalz, gehalten von Synodalsenior Daniel Zenaty (Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder) in Zeiskam am 17.08.2019

Lukas 12,48
Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.
Schwestern und Brüder in Christus, liebe Freunde,
es ist mir eine große Ehre, dass ich hier in Zeiskam, beim Jahresfest des GAW in Ihrer Pfälzischen Kirche predigen darf.
Ich danke im Namen unserer ganzen Kirchen für die Gaben, Spenden und Unterstützung, die wir in den vergangenen Jahrzehnten von Ihnen empfangen haben.
Ich bin dankbar für viele persönliche Freundschaften, die durch das GAW entstanden sind.
Ich habe mich gefreut, als ich das Thema Ihres Treffens erfahren habe – Kirche in der Minderheit – unsere Zukunft?!
Darüber sollte ich etwas wissen! Unsere Kirche ist in der Minderheit, und seit meiner Kindheit über neun und dreißig Dienstjahre als Pfarrer in drei Gemeinden, kenne ich keine andere Situation. Protestanten machen bei uns etwa 1% der Bevölkerung aus. Wenn man die Christen aller Kirchen zusammennimmt, sind es etwa 15%
Das Leben in der Minderheit gibt viele Impulse. Es lehrt, aufmerksam zu sein für diejenigen, die anders sind, die die Gesellschaft aus verschiedenen Gründen an den Rand gedrängt hat. Also – aufmerksam gegenüber anderen Minderheiten. Man weiß persönlich, wie es ihnen geht.
Gleichzeitig muss man Acht geben, dass man in der Minderheit nicht verbittert oder schrullig wird. …Wir sind nur so klein. Wir könnten ja dies oder jenes tun, aber wenn wir doch nur so wenige sind…
Wir müssen nicht verbittern. Als Kirche machen wir doch gute Sachen: Diakonie, Schulen, jeden Sonntag versammeln sich im ganzen Land Menschen, die sich danach sehnen, etwas zu tun, die über Vergebung, Versöhnung, Liebe sprechen, hören, Frieden schaffen – ist das etwa wenig? Wo sonst hat die Gesellschaft – die Mehrheit – das zu bieten? Ja, es stört uns, dass die Gesellschaft oft, all das Gute, das wir tun, nicht sieht und nicht schätzt. Warum?
Ich weiß nicht. Was ich weiß ist, dass das Gefühl, nicht geschätzt, nicht anerkannt zu werden, gehört zur Minderheit. Das Einzige was wir machen können, ist, sich von diesem Gefühl nicht mitreißen zu lassen. Wir wissen doch, an wen wir glauben. Auf ihn, auf Christus kommt es an. Halten wir uns an ihn. Die Kirche ist von Christus abhängig, nicht davon, wie die Mehrheit zum Evangelium steht.
In diesen Gedanken kann uns der Wochenspruch helfen, den uns die Tradition für die kommende Woche empfiehlt. Es sind Worte Jesu – „wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.“
Ja, liebe Freunde, wem wurde viel gegeben? Vielleicht sind wir uns gar nicht bewusst, dass uns viel gegeben ist. Oder doch?
Vielleicht schon. Ich denke, die Mehrheit unserer täglichen Gebete enthält die Dankbarkeit darüber, was war, die Verwunderung darüber, wer ich bin, dass Gott auch an mich denkt und die Bitte um Gottes Gegenwart für mich und für die, die ich gerne habe und die, die in Not sind.
An Ostern und an Weihnachten bin ich in der Gemeinde, wo ich Pfarrer war, jedes Jahr mit Jugendlichen in ein Seniorenheim auf dem Land gegangen, in die einzelnen Zimmer, auf den Gang und haben dort kleine Andachten gehalten. Immer wenn wir vom Zug die paar Kilometer zu Fuß hingingen, kam man kaum zu Wort, so lustig redeten alle durcheinander. Als wir zurückgingen, war die erste halbe Stunde des Weges völlig still. Jede und jeder der Jugendlichen hat das Erlebnis für sich verarbeitet. Was er oder sie gesehen und erlebt hat, und dann wieder die Frage, wer bin ich, dass es mir so gut geht, und was mache ich daraus?
Jedem der Jugendlichen war klar, dass er – sie - viel bekommen hat.
Wem viel gegeben ist, sagt Jesus, bei dem wird man viel suchen! Was wird man bei uns suchen? Wie sollen wir mit dem, was wir von Gott bekommen haben, umgehen, damit wir wenigstens ein bisschen dem entsprechen, was Gott von uns will?
In den Evangelien und Episteln finden wir viele Stellen, die in die gleiche Richtung gehen. Nämlich – wir gehen dann mit Gottes Gaben gut um, wenn wir sie von uns weg, für andere benutzen.
Und hier zeigt sich übrigens ein Grund, warum die Kirche in dieser Welt niemals eine Mehrheit sein wird, warum ihr guter Platz in der Minderheit ist.
Denn um so zu handeln – das von Gott empfangene Gute von sich weg zu geben, den Raum des Guten um sich herum zu bilden – dafür wird nie die Mehrheit die Hand heben. Solche Ansichten werden immer als etwas naiv und unreif diskreditiert werden.
Ähnlich ist es mit Jesu Worten, dass die Weinenden Glück haben, weil sie ein Trost erwartet, von dem sie nicht einmal zu träumen wagen;
dass die Stillen gut und gottgefällig sind, die sich nicht nach vorne drängen, und, gerade sie sollen mehr bekommen, als alle Supermärkte der Welt anbieten;
dass das absolute Highlight aller menschlichen Bemühungen, Gott näher zu kommen und ihn zu sehen, dass dies gerade die erleben, die ein reines Herz haben!
Ich will aber nicht davon ablenken, dass wir als Mehrheit oder Minderheit, als Einzelne und als Kirche viel empfangen haben und viel von uns erwartet wird.
Was wird von uns erwartet?
Vor allem denke ich, dass wir dieses - zunächst naiv klingende Evangelium - weitersagen. Dass wir über es sprechen. Das ist gar nicht wenig.
Und dann sollen wir suchen, wie Jesu Worte die Welt betreffen, in der wir leben.
Europa ist heute zerteilt in diejenigen, die in der Demokratie eine Chance sehen, wie man gemeinsam gerecht miteinander auskommen kann, und in diejenigen, die der Demokratie nicht mehr glauben. Und darüber das Chaos des Anzweifelns. Welche Information wahr ist und welche Information absichtlich falsch ist.
Dass uns viel anvertraut ist, gibt uns die Kraft dazu, uns damit nicht zufrieden zu geben, dagegen zu kämpfen. Es tut mir sehr leid, dass unser Land von manchen Menschen vertreten wird, die arrogant sind, Flüchtlingshilfe ablehnen, die Wahrheit anzweifeln und die Bedeutung der Freiheit herunterspielen.
Bitte glauben sie mir, dass uns das stört, uns in der Kirche und darüber hinaus. Und wir danken Ihnen, die Sie Bedürftigen helfen, auch durch das GAW.
Wir suchen auch nach Möglichkeiten, dieser Teilung und dem Chaos zu widerstehen. Und wir ahnen, dass auch hier Christus der Weg ist.
Dieser Glaube nimmt uns überraschend aktiv die Angst, gibt Kraft, aktiviert kritisches Denken gegenüber sich selber und anderen. Dieser Glaube macht unsere Herzen offen und unsere Hände freigiebig. Wir dürfen laut sagen, dass aus Gewalt und Rohheit nichts Gutes werden kann. Wir dürfen die Wahrheit unterstützen, die Liebe, Versöhnung und Vergebung.
Die brennende Frage bleibt: macht es Sinn heute, in Europa - das die Wunden von zwei schrecklichen Ideologien trägt - über Liebe, Wahrheit und Versöhnung zu sprechen?
Die Antwort – ja, sicher. Hat es Sinn.
Václav Havel hat das treffend ausgedrückt – „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass alles gut ausgeht, aber die Gewissheit, dass etwas Sinn hat – unabhängig davon, wie es ausgeht.“
Es macht Sinn nach Christus zu leben, es macht Sinn, sein Wort anzubieten und sich an sein Wort zu halten. Im Glauben, dass uns – Dank Christus – doch noch etwas erwartet!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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