Ukrainehilfe im GAW-Partnerland Polen
Beim Gang über den Markt schauen ukrainische Flüchtlinge meist nur zu und bei Supermärkten bleibt nur der Blick durchs Schaufenster: Das Geld ist knapp. Nicht anders ist es bei den aufnehmenden Kirchengemeinden. Sie verwalten die Sachspenden aus der Bevölkerung. Vor allem der enorme Aufwand für Energie bereitet große Sorgen, so der Eindruck bei der Flüchtlingshilfe der St.-Matthäi-Kirche Ende November 2022 im polnischen Lodsch/Lodz.
Seit der Verhängung des Kriegsrechts in Polen 1981/1983 besteht zwischen dem GAW Pfalz und der Bratnia Pomoc, dem Gustav-Adolf-Werk in Polen, eine Partnerschaft, vertraglich bestätigt in der Kirche zu Golkowice bei Loslau (Wodzislaw Slaski) im Juni 2015. Aktuell hat der stv. Vorsitzende des GAW Pfalz, Friedhelm Hans aus Bad Bergzabern, die polnischen Partner besucht.
Seit Ausbruch des Russisch-Ukrainischen Krieges am 24. Februar 2022 nehmen die Gemeinden der Evangelisch-Augsburgischen Kirche Flüchtlinge aus der Ukraine auf und leisten alle erdenkliche Hilfe. Das GAW Pfalz stärkt die Arbeit laufend durch Finanzmittel. Die Hilfen fließen zu gleichen Teilen an Partner in Rumänien und vereinzelt an die Partner in Tschechien. Sachhilfen sind nur begrenzt nötig. Geldspenden werden weiterhin erbeten.
Den gut besuchten Gottesdienst am Ersten Advent in Golasowice mit Bischof Dr. Marian Niemiec aus Kattowitz/Katowice und Pfarrer Marcin Makula verfolgten 15 Personen aus der Ukraine per Video und simultaner Übersetzung in der Sakristei. Im Dorf sind 57 Flüchtlinge untergebracht, die meisten privat. Einige Familien wohnen im Gemeindehaus. Zwei Wohnungen wurden den Flüchtlingen von katholischen Christen überlassen, ein gutes Beispiel praktizierter Ökumene.
Die Berichte über Todesopfer, Beschuss von Krankenhäusern, Schulen, Kindergärten und Wohnhäusern reißen seit dem Eindringen russischer Truppen in weiten Teilen der Ukraine nicht ab. Die Diakonie Polen bittet: „Lassen sie uns Solidarität mit den Menschen in der Ukraine, mit den Flüchtlingen, die Schutz suchen, mit den Ukrainern und Ukrainerinnen, die in Polen wohnen und täglich unsere Nachbarn sind, zeigen.“ Hilfe ist sowohl in der Ukraine als auch in den Aufnahmeorten in Polen für ukrainische Flüchtlinge nötig. „Ein Leben in Frieden und das Gefühl der Sicherheit, sie sind das Recht eines jeden Menschen!“
Während abends das Fußballspiel zwischen Spanien und Deutschland läuft, erläutert Pfarrer Michal Makula die Flüchtlingsarbeit seiner Gemeinde. Zwei Tage nach Kriegsbeginn trafen die ersten Flüchtlinge in Lodsch ein. Zwischenzeitlich waren es 30 Personen, inzwischen sind es 15. Sie wohnen im Gemeindehaus. Fotos von Flüchtlingen werden bewusst nicht gezeigt. Das GAW Württemberg hat schon im März Hilfsgüter nach Lodsch gebracht. Die Gemeinde erhält keine staatlichen Mittel, aber die Unterstützung aus der Bevölkerung ist groß. Sorgen bereiten die hohen Energiekosten. Die evangelische Gemeinde mit nur 700 Gemeindegliedern ist dringend auf Hilfe von außen angewiesen.
Während des Gesprächs überlegt Pfarrer Michal Makula: "Was macht die EKD-Synode? Während wir die Ukrainer aufnehmen und unter Lebensgefahr Hilfsgüter nach Polen bringen, verhandelt die Synode der EKD in Hannover über Vorschriften für Dienstwagen." Beide Vorgänge stehen in der Tat in keinem Verhältnis.
Die Gemeinden weisen auf die traumatisierten Kinder hin. Sie wirken verschüchtert und erschrecken in Erinnerungen an die Raketeneinschläge in ihrer Heimat bei jedem lauten Geräusch. Werktags besuchen die Kinder die regulären Schulen oder Kindergärten. Als realitätsfern beurteilt Pfarrer Michal Makula die Diskussion um von der Bibel nicht gedeckten Reiseempfehlungen für Kirchenbeamte, Tempolimit auf Autobahnen und Sprachdirektiven im kirchenamtlichen Schriftverkehr. Sie passen nicht zur Not des russischen Krieges gegen die Ukraine und die Frauenproteste im Iran. Die Lutheraner irritiert die naiven kirchenamtlichen Kontakte zur moskautreuen russischsprachigen Polnisch-Katholische Kirche (Kosciól Polskokatolicki w Rzeczypospolitej Polskiej). Diese Kirche schweigt zum Vernichtungskrieg Wladimir Putins. Politisch sehen die Polen die AfD mit großer Sorge, jedoch werden in Polen ähnliche Denkmuster von der Regierungspartei PIS vertreten.
Im Stadtbild von Lodsch sind die evangelischen Spuren nicht zu übersehen. Markant ist die zentrale St.-Matthäi-Kirche. Der Berliner Architekt Franz Schwechten (1841-1924), zugleich Erbauer Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, entwarf die Kirche in der von der Textilindustrie des „polnischen Manchester“ geprägten Stadt. Die Kirche birgt der größte Orgel Polens (Rieger 1928, damals Jägerndorf) und ist ein großer Kulturfaktor der Stadt. Über die lange Geschäftsstraße Piotrkowska führt der Weg zum Friedhof der Evangelisch-Augsburgischen Kirche mit dem markanten Mausoleum des Fabrikanten Karl Wilhelm Scheibler (1820-1881). Am Ende der Straße steht die ehemals evangelische St. Johanniskirche, jetzt Jesuitenkirche, die zweite von einst drei evangelisch-lutherischen Kirchen der Stadt (die dritte war bis 1945 die St. Trinitatiskirche, dazu kommen die ehemalige Kirche derMährischen Brüder und die Evangelisch-Reformierte Kirche).
Im Stadtbild sind nur wenige Ausländer zu erkennen. Beeindruckend erscheint die umfangreiche Konversion von alten Tuchfabriken im Süden und Westen der Stadt. Ein Gang durch ein im Umbruch befindliches historisches Industrieareal rundet den Besuch ab.
Die Gemeinde Ustron erhielt über das GAW Kleiderspenden aus Bad Bergzabern. Spenden zur Bewältigung der Strom- und Heizungskosten für die Unterbringung der Flüchtlinge werden dringend erbeten. Das Gustav-Adolf-Werk Pfalz leitet die Hilfen unmittelbar weiter:
Bankverbindung: VR Bank Rhein-Neckar, IBAN: DE48 6709 0000 0002 0264 30.
Friedhelm Hans, 5.11.2022